ken wilber

eine kurze geschichte des kosmos

Richard Brusa
Ken Wilber - Eine kurze Geschichte des Kosmos

 

Ost und West

THE  BIG  PICTURE

Irrwege

Flachland

Integration

Evolution

 

Aus dem Vorwort von Tony Schwartz:

„Im Jahr 1989 machte ich mich auf, im Lande nach Weisheit zu suchen. Auf meinen Reisen interviewte und arbeitete ich mit über zweihundert Psychologen, Philosophen, Ärzten, Wissenschaftlern und Mystikern, die für sich in Anspruch nahmen, Antworten auf einige meiner Fragen zu haben. Als ich an meinem Buch Was wirklich zählt. Auf der Suche nach Weisheit und Lebenssinn heute arbeitete, wurde mir klar, dass Ken Wilber einer eigenen Kategorie angehört. Er ist, wie ich glaube, bei weitem die bezwingendste und vernehmlichste Stimme im gegenwärtigen Entstehungsprozess einer spezifisch westlichen Weisheit.      (S. 11)

Ost und West

„Letztlich hat Wilber damit Freud und Buddha miteinander vermählt, die bis dahin eine unüberbrückbare Kluft zu trennen schien. Und dies war nur der erste von vielen weiteren originellen Beiträgen, die von ihm folgen sollten.“   (S. 11)                       

THE BIG PICTURE

„Was Wilber zu sagen hat, ist aussergewöhnlich. Er bringt für seine Aufgabe Aufrichtigkeit des Herzens und eine bedingungslose Liebe zur Wahrheit mit. Er versucht, das grösstmögliche Bild zu erfassen.“   (S.14)                                                                                                   

Irrwege

„Ich wüsste keine bessere Einführung in Ken Wilbers Denken als dieses Buch. Es hebt die Diskussion über Evolution, Bewusstsein und die Fähigkeit des Menschen zu Transformation auf eine völlig neue Ebene. In einem ganz praktischen Sinne wird es Sie zudem bei Ihrem persönlichen Weisheitsstreben vor vielen Irrwegen und Sackgassen bewahren.“   (S. 15)

 

 

KEN WILBER im Originalton

Flachland

Flachland ist die Vorstellung, dass die sinnliche, empirische und materielle Welt die einzig existente Welt sei. Dass uns keine höheren und tieferen Potentiale zur Verfügung stünden, zum Beispiel keine höheren Stufen der Bewusstseinsentwicklung. Es gäbe nur das, was wir mit unseren Augen sehen oder mit unseren Händen ergreifen können. Eine solche Welt ist bar jeglicher aufsteigender Energie, von jeglicher Transzendenz entleert. In der Tat betrachten entschiedene Anhänger des absteigenden Pfades stets jegliche Art von Aufstieg oder Transzendenz im besten Fall als Irrtum, im schlimmsten Fall als böse. ……………

Wir Flachländer, ob wir uns als spirituell betrachten oder nicht, beten am Altar des bloss abgestiegenen Gottes, der sinnenhaften Göttin, der sinnlichen Welt, der monochromen Welt des einfachen Orts, der Welt, auf die man den Finger legen kann. Es gibt für uns nichts Höheres oder Tieferes als den Gott, der in unserem Gesichtsfeld herumfuhrwerkt. ( S.32)

                                                                         

Integration

Harmonie kann aber nur durch die Zusammenführung des aufsteigenden und des absteigenden Stroms geschaffen werden, nicht durch einen brutalen Krieg zwischen den beiden. Man könnte sagen, dass der aufsteigende und der absteigende Pfad nur dann erlöst werden können, wenn sie miteinander verbunden werden. Wer nicht an dieser Verbindung mitarbeitet, zerstört nicht nur die einzige Erde, die er hat, sondern verzichtet auch auf den einzigen Himmel, der ihm offensteht.  (S. 33)

 

Evolution

Ja, die Evolution hat eine Richtung, ein aus dem Chaos herausführendes Ordnungsprinzip, wie dies oft genannt wird. Mit anderen Worten, einen Drang zu grösserer Tiefe. Das Gesetz des Zufalls wird aufgehoben, Bedeutung entsteht – der innere Wert des Kósmos steigt mit der Entfaltung.   (S. 65)

Der Grunddrang der Evolution ist die Vermehrung der Tiefe. Dies ist der Drang des Kósmos zur Selbsttransdendenz: über das Vorangegangene hinauszugehen und dieses trotzdem einzuschliessen und damit die eigene Tiefe zu steigern.   (S. 67)

Evolution ist Gott und Göttin, Transzendenz und Immanenz zugleich.    (S.67)

Und ich glaube, dass wir aufgerufen sind, uns als diesen Prozess zu erkennen. Der GEIST in uns ist eingeladen, selbstbewusst, zu werden oder auch, wie manche sagen würden, überbewusst zu werden. Tiefe steigert sich aus dem Unbewussten zum Selbstbewussten und weiter zum Überbewussten bis hin zum Schock ihrer Selbsterkenntnis, zum höchsten Einssein mit dem strahlenden All, und wir erwachen als diese Einheit.

Wie finden Sie das? Ist das verrückt? Sind die Mystiker und Weisen verrückte? Weil sie immer nur Varianten derselben Geschichte erzählen, nicht wahr? Der Geschichte, dass man eines Morgens aufwacht und entdeckt, dass man eins ist mit dem Allganzen, und zwar in einer zeitlosen, ewigen und unendlichen Weise?

Ja, vielleicht sind sie verrückt, diese göttlichen Narren. Vielleicht sind sie raunende Idioten am Angesicht des Abgrundes. Vielleicht brauchen sie einen netten, verständnisvollen Therapeuten.

Aber dann frage ich mich. Vielleicht verläuft die Evolution ja wirklich von der Materie über den Körper, den Geist und die Seele zum GEIST auf jeweils einander transzendierenden und einschliessenden Stufen, die jeweils mehr Tiefe, ein grösseres Bewusstsein und eine grössere Umfassendheit mit sich bringen. Und vielleicht, es könnte doch sein, rührte in den höchsten Regionen der Evolution das Bewusstsein eines Menschen tatsächlich an das Unendliche, in einem vollkommenen Umschliessen des ganzen Kósmos, in einem kosmischen Bewusstsein, das das Erwachen des GEISTES zu seiner eigenen Natur ist.

Dies ist zumindest plausibel. Und sagen Sie mir: ist dieses Lied, das Mystiker und Weise in der ganzen Welt singen, verrückter als das Lied des wissenschaftlichen Materialismus, demzufolge der ganze Weltengang frei nach Shakespeares Hamlet eine Geschichte ist, „die ein Wahnsinniger erzählt, voller Schall und Rauch, die nicht das geringste bedeutet“? Hören Sie doch einmal genau hin: Welches dieser beiden Lieder klingt denn nun wirklich total verrückt?

Ich will Ihnen sagen, was ich glaube. Für mich sind die Weisen die wachsende Spitze des geheimen Impulses der Evolution. Für mich sind sie die Speerspitze des Drangs zur Selbsttranszendenz, die immer über dasjenige hinausgeht, was vorher war. Ich glaube, dass sie nichts anderes als den Drang des Kósmos zu mehr Tiefe und einer Erweiterung des Bewusstseins verkörpern. Ich glaube, dass sie auf einem Lichtstrahl sitzen, der der Begegnung mit Gott entgegeneilt.

Ich glaube, dass sie auf dieselbe Tiefe in Ihnen, in mir und in uns allen verweisen. Ich glaube, dass sie in Verbindung mit dem Weltall stehen, dass der Kósmos durch ihre Stimme singt, der GEIST aus ihren Augen leuchtet. Ich glaube, dass sie uns das Antlitz des Morgens enthüllen, dass sie uns die Augen für das Innerste unseres eigenen Schicksals öffnen, das sich schon jetzt in der Zeitlosigkeit des gegenwärtigen Augenblicks vollzieht, und in dieser aufregenden Erkenntnis wird die Stimme der Weisen zu deiner Stimme, das Auges des Weisen zu deinem Auge; du redest mit Engelszungen und bist vom Feuer der Erkenntnis entzündet, die niemals anfängt und niemals aufhört. Du erkennst dein eigenes Antlitz im Spiegel des Kósmos selbst: Deine Identität ist wahrhaftig das Weltall, und du bist nicht mehr Teil dieses Stroms, du bist dieser Strom im Weltall, das sich nicht um dich, sondern in dir entfaltet. Die Sterne leuchten nicht mehr irgendwo dort draussen, sondern hier im Inneren. Supernovae flammen in deinem Herzen auf, und die Sonne scheint in deinem Gewahrsein. Weil du alles transzendierst, schliesst du alles in dir ein. Es gibt hier kein endgültiges Ganzes mehr, nur einen endlosen Prozess, und du bist die Öffnung, die Lichtung oder die reine Leerheit, in der sich der ganze Prozess entfaltet – endlos, wunderbar, unaufhörlich, leicht.  (S.68 / 69)