Im aussergewöhnlichen Buch "Mut und Gnade" liest Ken Wilber seiner geliebten Treya - das frisch verheiratete Paar befindet sich krankheitsbedingt in grösster innerer Not - die Passagen aus dem Buch "Wege zum Selbst" vor.
Er nennt es die "Zeuge-Übung".
Die Zeuge-Übung fasst einiges von dem zusammen, was die grössten Mystiker der Welt taten, um über Körper und persönlichen Geist hinauszugelangen und den Zeugen zu finden. "Meine Fassung hatte ich nach Roberto Assagioli, dem Begründer der Psychosynthesis, formuliert, aber im Grunde handelt es sich um die Standardtechnik der Selbsterforschung - die Urfrage "Wer bin ich?" -, die wohl vor allem durch Shri Ramana Maharshi bekannt geworden ist."
"Vergegenwärtige Dir jeden Satz so klar, wie Du kannst:
Ich habe eine Körper, aber ich bin nicht mein Körper.
Ich kann meinen Körper sehen und fühlen, und was gesehen und gefühlt werden kann, ist nicht der wahre Suchende. Mein Körper kann müde oder erregt, krank oder gesund, schwer oder leicht, angstvoll oder ruhig sein, aber das hat nichts mit meinem inneren Ich, dem Zeugen, zu tun. Ich habe einen Körper, aber ich bin nicht mein Körper.
Ich habe Wünsche, aber ich bin nicht meine Wünsche.
Ich kann meine Wünsche erkennen, und was erkannt werden kann, ist nicht der wahre Erkennende. Wünsche kommen und gehen, sie ziehen durch mein Bewusstsein, aber sie berühren mein inneres Ich nicht, den Zeugen. Ich habe Wünsche, aber ich bin nicht die Wünsche.
Ich habe Emotionen, aber ich bin nicht meine Emotionen.
Ich kann meine Emotionen empfinden und spüren, und was empfunden und gespürt werden kann, ist nicht der wahre Empfindende. Emotionen gehen durch mich hindurch, aber sie berühren mein inneres Ich nicht, den Zeugen. Ich habe Emotionen, aber ich bin nicht die Emotionen.
Ich habe Gedanken, aber ich bin nicht meine Gedanken.
Ich kann meine Gedanken sehen und erkennen, und was erkannt werden kann, ist nicht der wahre Erkennende. Gedanken kommen und gehen, aber sie berühren mein inneres ich nicht, den wahren Zeugen. Ich habe Gedanken, aber ich bin nicht die Gedanken."
"Wenn Sie das beharrlich üben, wird die Einsicht, die darin liegt, wirksam werden, und Sie bemerken vielleicht Ansätze zu einem völlig anderen "Ich-Gefühl". Es kann zum Beispiel sein, dass Sie eine Ahnung bekommen von einem tiefen inneren Frieden, einer erlösenden Leichtigkeit. Dieser Grund, dieses unbewegte "Auge des Zyklons" wird seine klare Ruhe immer behalten, auch wenn draussen der Wirbelsturm von Angst und Leid rast."
Ken Wiber - Mut und Gnade, S. 152 ff
Siehe auch:
Weiter lesen: Zum Inhalt, geordnet nach Stichworten, Blog, Themen oder Personen oder Stichwortverzeichnis von A-Z